03.04.2020

Aufklärung Kosten Behandlung

Wenn ein Arzt über die drohenden Behandlungskosten nicht ausreichend aufklärt und der private Krankenversicherer dann nicht zahlen will, ist der Patient verpflichtet, dem Arzt die unzulängliche Beratung nachzuweisen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell bestätigt (Urteil vom 28. Januar 2020, Az. VI ZR 92/19).  

Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt für den Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient vor: Ein Arzt muss den Patienten vor Beginn einer Behandlung über voraussichtliche Kosten in Textform informieren. Diese Voraussetzung geschieht bei privat krankenversicherten Patienten jedoch unter anderen Bedingungen und Risiken als bei gesetzlich versicherten Patienten. Denn der Leistungskatalog für gesetzlich Versicherte wird in engen Grenzen vorgegeben – gesetzliche Grundlage ist § 92 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V), wonach ein gemeinsamer Bundesausschuss die Richtlinien der gezahlten Leistungen festlegt. Privat krankenversicherte Patienten hingegen schultern ein größeres individuelles Risiko der Kosten für ihre Behandlung, sofern sie sich nicht mit ihrem Versicherer absprechen.  

Denn die Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags sowie die Regulierungspraxis des privaten Versicherers bestimmen, welche Leistungen tatsächlich für PKV-Patienten erstattet werden. Für die Behandlungskosten steht der privat Versicherte hierbei zunächst selbst ein – und zwar bis zur Übernahme durch den Krankenversicherer. Deswegen sind privat Versicherte auch auf besondere Informationen angewiesen. Diese müssen planbar machen, welche Kosten voraussichtlich der Versicherer erstattet und welche Kosten auf den Patienten zukommen. Nur so können finanzielle Folgen der Behandlung kalkuliert werden.  

Behandlungsmethode war durch die Schulmedizin (noch) nicht anerkannt  

Was aber ist, wenn der Arzt jene in § 630c des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgeschriebenen Informationspflichten verletzt und nicht sachgemäß über drohende Kosten einer Behandlung informiert, z. B. weil die Behandlungsmethode durch die Schulmedizin nicht anerkannt wird? Wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs mit Datum vom 28. Januar 2020 (Az. VI ZR 92/19) zeigt, bringt sogar eine verletzte Informationspflicht des Arztes den privat versicherten Patienten in die Beweispflicht. Demnach muss ein Patient auch bei fehlerhafter Aufklärung über entstehende Behandlungskosten beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Behandlung abgelassen hätte. Nur dann nämlich kann er den Arzt für entstandenen Schaden in Haftung nehmen.  

Im vor dem BGH verhandelten Fall war eine Frau durch ihren Arzt nicht genügend über die Regulierungspraxis ihres Versicherers informiert worden. Denn die Frau ließ sich nach einer neu entwickelten Therapie die Krampfadern behandeln: Durch Einbringung von Bio-Klebstoff sollte dauerhaft die erkrankte Vene verschlossen werden. Was die Frau allerdings nicht wusste: Weil für den gewählten Eingriff keine ausreichende Langzeiterfahrung vorlag, um den Behandlungserfolg zu garantieren, drohte eine Ablehnung der Leistungsübernahme durch den privaten Versicherer. Darüber jedoch wurde die Frau nicht durch ihren Arzt aufgeklärt.  

Vertragstext beschwichtigte: Die Rechnungslegung lehne sich „eng an die Gebührenordnung an“  

Der Arzt hatte zwar im Behandlungsvertrag darüber aufgeklärt, dass sein neues Therapieverfahren nicht in der Gebührenordnung für privatärztliche Leistungen (GOÄ) gelistet ist. Auch wurde durch den Vertrag zugestanden, die PKV würde unter Umständen „nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen“. Jedoch entstand der Eindruck, es wären nur einzelne Posten, die für die privat versicherte Patientin zusätzlich anfielen. Zumal der Vertragstext beschwichtigte: „Die Rechnungslegung“ lehne sich „eng an die GOÄ an“, damit „weitgehend ein Zahlungsausgleich durch die PKV erfolgen kann“.

Keineswegs wurde die Patientin aber darüber aufgeklärt, dass aufgrund des wissenschaftlichen Kenntnisstandes eine völlige Ablehnung der Kostenübernahme durch die PKV droht. Und das, obwohl der behandelnde Arzt mehrere Fachaufsätze zu der Behandlungsmethode publiziert hatte und die Gefahr hätte erkennen müssen. Es geschah, was geschehen musste: Die Frau ging mit 3.517,50 € für die Behandlung in Vorleistung, jedoch weigerte der Versicherer ein Begleichen der Kosten.  

Zunächst verklagte deswegen die Frau, zusammen mit ihrem mitversicherten Ehemann, den privaten Versicherer – und verlor den Prozess. Nun ging das Ehepaar gegen den Arzt vor und machte verletzte Informationspflichten geltend. Als Ersatz für einen Vermögensschaden sollten die Behandlungskosten von dem Arzt rückerstattet werden. Und zunächst schien die Klage erfolgreich, denn das Amtsgericht (AG) Berlin Mitte und auch das Landgericht Berlin sprach dem klagenden Paar die Behandlungskosten als Schadenersatz zu.  

Ausgang des Gerichtsverfahrens nach Revision wieder offen  

Jedoch wendete sich nun das Blatt vor dem Bundesgerichtshof und zwar nicht zugunsten der Gegenpartei, sondern zugunsten eines noch offenen Ausgangs in der Sache. Denn die deutlichen Urteile der Vorinstanzen basierten auch auf der irrtümlichen Annahme, bei Verletzung der Informationspflichten liege die Beweislast beim Arzt – der Arzt müsste also beweisen, dass die Patientin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die zu erwartenden Kosten die Behandlung hätte durchführen lassen. Das aber ist laut Bundesgerichtshof nicht der Fall.  

Wahl einer medizinischen Behandlung unterscheidet sich von Wahl einer Geldanlage  

Denn die Pflicht zur wirtschaftlichen Information des Patienten betrifft einen Arzt nur als vertragliche Nebenpflicht. Anders als bei einem Geldanlage-Geschäft ist bei einem Beratungsgespräch durch einen Arzt der Beratende nicht Sachwalter der wirtschaftlichen Interessen des Kunden. Mehr noch: Diese wirtschaftlichen Interessen können sogar eine untergeordnete Rolle bei der Wahl einer Behandlungsmethode spielen. Denn Einflussfaktoren wie die Dauer und die Intensität des Leidensdrucks aufgrund einer Erkrankung oder die Ausschöpfung anderer Behandlungsmöglichkeiten spielen für die Entscheidung ebenfalls eine Rolle.  

Weil die Wahl einer medizinischen Behandlung demnach anderen Grundsätzen entspricht als die Wahl eines Produkts für die Geldanlage (mit ihrer rein finanziellen Zielsetzung), liegt die Beweislast – statt beim Arzt – im verhandelten Fall trotz verletzter Informationspflichten beim Patienten.  

Folglich muss nun die Ehefrau vor dem Landgericht Berlin erst beweisen, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Arzt von ihrer Therapie abgesehen hätte: In Revision hebt der Bundesgerichtshof die vorhergehenden Urteile auf. Der Fall muss nun am Landgericht Berlin noch einmal neu verhandelt werden. Und der Fall zeigt außerdem: Wer sich unsicher ist, zu welchen Bedingungen ein privater Krankenversicherer für eine Behandlung leistet, der sollte sich zeitig genug an den Versicherer wenden oder von Experten beraten lassen.