30.10.2015

Kein Abzug „Neu für Alt” bei alt, aber intakt

Das Amtsgericht (AG) Northeim hat mit Urteil vom 24. September 2015 entschieden (3 C 495/14), dass der Schädiger bzw. sein Versicherer bei der Schadenregulierung einen Abzug „Neu für Alt“ nicht vornehmen darf, wenn bei einem Verkehrsunfall alte, aber völlig intakte Teile einer Hofeinfahrt zerstört werden.

Ein Autofahrer und spätere Kläger war aus Unachtsamkeit von der Straße abgekommen und hatte dabei er Pfeiler der Hofeinfahrt des Geschädigten zerstört. Die Pfeiler waren zum Unfallzeitpunkt ca. 110 Jahre alt, waren aber noch völlig intakt gewesen und hätten während der Nutzungsdauer des auf dem Hof befindlichen Gebäudes ohne den Unfall mit Gewissheit nicht erneuert werden müssen.

Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers war der Ansicht, dass bei der Schadenregulierung ein Abzug „Neu für Alt“ erfolgen durfte, so dass er dem Geschädigten nur 10 %, d.h. knapp 400.- Euro, der von diesem für die Erneuerung der Pfeiler verlangten Summe überwies.

Im Folgenden verklagte der Geschädigte den Versicherer auf Zahlung des restlichen Betrages, da ein Abzug „Neu für Alt“ voraussetze, dass die Wiederbeschaffung der Pfeiler eine messbare Vermögensvermehrung darstelle, die sich für ihn günstig auswirke. Hiervon sei vorliegend aber nicht auszugehen. Trete durch die Erneuerung der Pfeiler eine Verbesserung ein, so werde ihm diese aufgezwängt und es sei ihm unzumutbar, einen Abzug hinzunehmen.

Das Amtsgericht gab der Klage in vollem Umfang statt, da ein Geschädigter nicht bessergestellt werden darf, als vor einem schädigenden Ereignis. Im Rahmen des Vorteilsausgleichs sei zwar in den meisten Fällen der Grundsatz des Abzugs „Neu für Alt“ anwendbar, allerdings muss eine Anrechnung des Abzuges „Neu für Alt“ dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts entsprechen, dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig begünstigen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze dem Kläger ein Abzug unzumutbar, da anders, als bei einer Vielzahl von Dingen, für gemauerte Pfeiler kein Gebrauchtmarkt existiere.

Somit hätte der Kläger bei einem Abzug über 3.500 Euro aus eigenen Mitteln aufzuwenden müssen, um die Pfeiler wiederherzustellen. Ohne den Unfall hätten sie höchstwahrscheinlich während der Nutzungsdauer des Grundstücks nicht hätten erneuert werden müssen.

Daher ist die Entschädigung nach dem Aufwand des Klägers zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu bemessen. Andernfalls wäre der Geschädigte stets unzumutbar bei Beschädigung einer Sache benachteiligt, die nicht unter Berücksichtigung des Alterungsprozesses wiederbeschafft werden kann. Dagegen würde ein Schädiger deutlich bessergestellt, wenn er lediglich den Zeitwert ersetzen müsste, unabhängig davon, ob der Geschädigte mit dem Betrag den Ursprungszustand wiederherstellen kann.