26.11.2019

Wenn ein Ziegel vom Dach fällt

Der Herbst ist da. Haus- und Grundbesitzer sollten eigene Gebäude nun auf die Sturmsicherheit prüfen. Denn ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt hohe Haftungsrisiken. Demnach haftet der Grundbesitzer nicht nur für entstandene Schäden. Er kann für Schäden auch durch Versicherungen in Regress genommen werden. Wer sich vor derartigen Haftungsrisiken absichern will, dem hilft eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht.  

Grundstückbesitzer: Anforderungen an die Sturm-Sicherheit hoch  

Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Grundstücksbesitzers sind hoch. Denn durch herabfallende Gebäudeteile drohen „erhebliche Gefahren“ für die Gesundheit und das Eigentum Unbeteiligter. Nur ein fehlerfrei errichtetes und mit Sorgfalt gewartetes Gebäude entlässt den Besitzer folglich aus der Haftungspflicht. Das musste auch die evangelische Kirche in Stuttgart aufgrund eines verlorenen Streits vor Gericht erfahren.  

Ursache des Rechtsstreits waren Folgen eines schweren Sturms. Am 31.3.2015 lösten sich durch Windgeschwindigkeiten von bis zu bis 100 km/h etwa 60 Ziegel vom Turmdach eines alten Kirchengebäudes und beschädigten ein geparktes Auto. Das Fahrzeug wurde dem Fahrer zunächst durch dessen Kfz-Versicherung ersetzt. Nun aber wandte sich die Versicherung an die Kirche und wollte sie für den Schaden in Regress nehmen. Sei es doch Aufgabe der Kirche gewesen, die Sicherheit des Kirchengebäudes zu überwachen.  

Die Kirche jedoch wollte nicht zahlen und wurde in der Folge durch die Versicherung verklagt. Folgendes wollte die Kirche entlastend geltend machen: Da sich der Turm in 35 Metern Höhe befindet, müsse von wesentlich höheren Windgeschwindigkeiten als den gemessenen 100 km/h in Bodennähe ausgegangen werden. Auch hätte eine Windhose nach oben gestiegen sein können und dadurch hätten sich die Ziegel gelöst. Die Kirche wollte sich demnach auf ein außergewöhnliches Naturereignis berufen, um den Schaden nicht zu ersetzen.  

Mit dieser Argumentation aber erlitt sie eine Niederlage vor zwei Gerichtsinstanzen – zunächst durch Urteil des Landgerichts (LG) Stuttgart und dann durch Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart: Die Kirche musste zahlen. Das Oberlandesgericht verdeutlichte in seinem Urteil die hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht. Denn zu bedenken ist: Herabfallende Teile eines Gebäudes können auch einen Menschen verletzen oder sogar töten. Es war in diesem Fall Glück im Unglück, da nur ein Kfz-Fahrzeug zu Schaden kam.  

So wäre es zum Beispiel laut Oberlandesgericht geboten gewesen, dass die Kirche in regelmäßigen Abständen das Kirchturmdach kontrolliert. Hierbei hätte durch Einsatz eines Hubsteigers die Festigkeit jedes einzelnen Ziegels geprüft werden müssen. Auch muss der Grundbesitzer sogar noch bei Windstärke 13 und damit bei orkanartigem Sturm für herabfallende Gebäudeteile haften. Wären doch größere Windstärken in Zeiten des Klimawandels nicht mehr als außergewöhnliches Naturereignis anzusehen, weswegen Gerichte höhere Anforderungen an die Sicherheit von Gebäuden stellen.  

Anscheinsbeweis: Grundstückbesitzer muss Sorgfalt beweisen  

Es gilt der Anscheinsbeweis: Demnach spricht das Ablösen von Gebäudeteilen grundsätzlich für eine mangelhafte Unterhaltung, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Auf ein außergewöhnliches Naturereignis hingegen kann sich erst ab Windgeschwindigkeiten im mittleren Bereich von 14 Beaufort und demnach von mehr als 150 km/h berufen werden, wie das Gericht unter Verweis auf weitere Urteile ausführt.  

Aufgrund derartiger Haftungsrisiken lohnt es sich für Haus- und Grundbesitzer, nicht nur die Gebäude, sondern auch ihren Versicherungsschutz zu überprüfen. So tritt zum Beispiel eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht dann ein, wenn Gegenstände vom Eigenheim andere schädigen. Ist jedoch kein Eigentum vorhanden, sondern bei Sturm fällt beispielsweise ein Blumentopf vom Fensterbrett einer Mietwohnung, greifen private Haftpflichtversicherungen.